Druckschrift 
Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
160
Einzelbild herunterladen

Zwölftes Kapitel.

Die Judengesetzgebung Friedrichs des Großen.

Die politische und namentlich die religiöse Ergeb­nislosigkeit des Dreißigjährigen Krieges hatte bewiesen, daß es nicht in der göttlichen Weltordnung lag, demwahren oder demalleinseligmachenden Glauben durch Waffen­gewalt Sieg und somit bleibende Macht zu verleihen, und daß die hereingebrochene grauenhafte Not, Verödung und Sittenverderbnis unmöglich der Verherrlichung des Welten­schöpfers dienen könne. Wenn Gott also die beiden christ­lichen Bekenntnisse gleichberechtigt nebeneinander dulde, so liege zweifellos auch die Bekämpfung anderer gottgläubiger Menschenkinder nicht in seinem Heilsplan. In solcher Ein­stellung wendet sich der große Klassiker der Pädagogik Amos Comenius mit seiner AbhandlungUnum est necessarium (Eins ist not) nicht nur an alle Christen, sondern auch an Juden und Muslims. Ebenso verfaßt Leib- niz ein von Christen, Juden und Mohammedanern an Gott zu richtendes Gebet. Die Geistlichkeit versagt ihm deshalb das kirchliche Begräbnis; seiner Bahre folgt ein jüdischer Mathematiker, Raphael Levi, als einziger Leidtragen­der.

Nur langsam setzt sich der Gedanke religiöser Toleranz durch. Holland greift ihn zuerst auf. England folgt. Der Lord-Protektor Oliver Cromwell erwägt die Berufung reicher spanischer Juden aus Amsterdam nach England und

160