leben! Das war der Fels im brandenden Meer des Druckes von „oben“, der schwierigen Erwerbsverhältnisse und der Roheit des Pöbels. In seinem Hause war der Jude ein König. Seine Ehe umwob nicht das strahlende Goldnetz der Romantik und Sentimentalität — dafür war in der Judengasse kein Platz — aber sie war glücklich in dem Bewußtsein gottgewollter Zusammengehörigkeit. Unbegrenzt war die Ehrfurcht der Kinder den Eltern gegenüber. Da die Hausväter keinerlei Zerstreuungen außerhalb ihrer vier Pfähle suchten, so hatten sie Zeit, ihre Kinder zu erziehen und zu unterrichten. Vom Vater lernten sie die Heilige Sprache. An seiner Hand gingen sie ins Gotteshaus. Sabbate und Feiertage waren der Erholung, d. h. dem Studium, geweiht. Glückstrahlend lauschte der Vater, wenn sein Sohn bei der Barmizwah eine Probe seines Könnens in einem talmu- dischen Vortrage ablegte*). Während das Mädchen die frommen Bräuche des Hauses — nicht zum wenigsten die rituelle Küche — von der Mutter lernte, formte den Sohn das Vorbild des Vaters.
Die Eltern vermittelten die Ehen. Die Familien setzten ihren Stolz darein, ihre Töchter mit einem Talmudgelehrten oder dem Sohne eines solchen zu vermählen.
Wie seit der Urväter Tagen blieb die Frau die Königin des Hauses.
Der mittelalterliche Ritter rühmte sich, er habe „zer- bleuet ihren Leib“; bei den Juden konnte R. Meir Rothenburgn feststellen: „Es kommt bei den Bekenner unserer Religion nicht vor, daß sie ihre Frauen mißhandeln, wie es bei den anderen Völkern geschieht. Wer seine Frau gefühllos behandelt, den sollte man in den Bann tun und züchtigen. Ja, die Hand, die die Frau schlägt, müßte ab-
*) Vgl. das Bild von Moritz Oppenheim: „Der Barmizwah- vortrag.
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