gehauen werden.“ Da die Frau von der Ausübung vieler religiöser Gesetze befreit war, konnte sie sich ganz der Erziehung ihrer Kinder widmen — wenn sie nicht ihr Kramladen zu stark in Anspruch nahm; denn sehr häufig mußte die Frau das Geschäft versehen, während der Mann „lernte“, d. h. dem Talmudstudium oblag. Sehr häufig war diese wackere Frau die Ernährerin der Familie.
Die Festtage der Religion und der Familie umspannen das Haus mit ihrem Zauber. Schnell verging die mühevolle Woche in der Freude auf den nächsten Sabbat. Nach dem Studium wurden am Sabbatausgang die Karten zum „Franze- fuß“ oder einem andern Kartenspiel gemischt. In Dessau hatte Rabbiner Fränkel das seit Jahrzehnten bestehende Spielverbot in der Synagoge verlesen lassen; während seiner Berliner Wirksamkeit brauchte er ein solches Verbot (mit Androhung einer Strafe von fünf Talern) nicht zu erlassen. Anscheinend griff hier das Vergnügen am Spiel nicht besonders störend in das Familienleben ein.
Einen besonderen Stolz setzte jede bemittelte, namentlich jede kinderlose Familie in den Besitz einer eigenen Thorarolle, die der Hausherr bei der Prozession am Thora- Freudenfeste trug. Welche Ehre, wenn aus einer von ihnen im Tempel vorgelesen wurde! In der Synagoge zu Fürstenwalde zankten sich einmal am Jom Kipur zwei Männer darüber, aus wessen Thora „geleint“ werden sollte. Tätlichkeiten — blutige Köpfe. Händeringend suchten die Frauen ihre Männer zu beruhigen. Antwort: „Und wenn es mein Leben kostet, muß aus meinem Sefer Thora geleint werden!“ Die Polizei schritt ein. Endergebnis: alle Beteiligten erhielten drei Monate Gefängnis wegen Störung des Gottesdienstes. Da jedes der Mitglieder für einen der beiden Streiter Partei nahm, so war bei dieser Affäre die ganze Gemeinde beteiligt. (Diesen Vorfall erzählt A. H. Heymann.)