Da der Druck der Ausnahmegesetzgebung auf der Gemeinde schwer lastete, so ist es natürlich, daß ihre Mitglieder Freud und Leid des Einzelnen brüderlich mitemp- fanden. Gewiß, für Beerdigungen wurde keine staatliche Gebühr mehr erhoben. Dafür aber erregte ein anderer Streit die Gemüter. Es war nämlich jüdische Sitte, die Leichen gleich am Tage des eingetretenen Todes zu beerdigen. Die Gefahr der Bestattung von Scheintoten lag sehr nahe. Die Aufklärung verlangte Hinausschiebung der Beerdigung um drei Tage; die Altfrommen beriefen sich auf den Jahrtausende alten Brauch. Mendelssohn trat für dessen Abschaffung ein — und drang nicht durch. Schon längst hatte die christliche Umwelt an diesem Mißbrauch Anstoß genommen: „Die Juden begraben ihre Toten lebendig!“ Erst als Markus Herz mit seiner ärztlichen Autorität in den Streit eingriff, entschied ihn die Gemeinde — stillschweigend — zugunsten der Neuerer.
Trotz seiner Abneigung gegen die Juden hat Friedrich der Große — unbewußt — ihren Aufstieg gefördert. Sein Tod weckte Trauer auch in den Kreisen der jüdischen „Nation“. Wenn Mendelssohns Mitarbeiter Hartwig Wessely bei der Totenfeier in der Berliner Synagoge in einer vom Oberrabbiner vorgetragenen Rede diesen großen Monarchen als „den größten Menschen, den größten Regenten, den vortrefflichsten Helden“, als „ein Kleinod von Weisheit“ feierte, so darf die Nachwelt feststellen, daß dieser Monarch auch für die Juden das Vorbild der Pflichttreue, Unternehmungslust und geistigen Beweglichkeit bedeutete.
Auch wohlmeinenden Christen ist diese seine Einwirkung nicht entgangen; stellt doch z. B. König fest: „So wie die mehresten Dinge in seinen Staaten eine neue und veränderte Gestalt erhalten hatten, so befanden sich auch die Juden in einer ganz verschiedenen und blühenderen Lage
189