Fünfzehntes Kapitel.
Morgenröte.
Für Friedrioh den Großen hat das preußische Volk große Verehrung empfunden, denn er war nicht bloß ein Held des Schwertes, sondern vor allem ein unermüdlich fleißiger Landesvater, tatsächlich des Staates „erster Diener“.
Sein Nachfolger, r Friedrich Wilhel m II., hieß „De Vielgeliebte“, noch ehe er den Thron bestieg. Sein Mitgehen mit den Ideen der Zeit war allgemein bekannt.
Seitdem die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 mit allen Vorurteilen aufgeräumt und Gleichheit vor dem Staatsgesetz — ohne Rücksicht auf Religion und Herkunft — verkündet hatte, hofften auch die Juden in den preußischen Staaten auf eine Durchtränkung der Staatsgesetze mit jenen freiheitlichen Ideen, namentlich dann, als sie in der französischen „Erklärung der Menschenrechte“ weiterschwangen.
Ein Hoffnungsstrahl leuchtete ihnen aus der Antwort entgegen, welche der neue König auf eine Huldigungsadresse der Berliner Judenschaft erteilte:
Seiner Königl. Majestät von Preußen etc., Unserm Allergnädigsten Herrn, sind die von den hiesigen Oberlandes- und Ältesten der gesamten Judenschaft zu erkennen gegebenen Gesinnungen bey Antritt Höchstder- selben Regierung angenehm gewesen, und Sie versichern solche bey dieser Gelegenheit Dero Kön. Huld und Gnade.
Berlin, den 22. August 1786.
Friedrich Wilhelm.
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