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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
207
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Die Potsdamer Gemeinde erinnerte sich einer talmudi- schen Entscheidung, laut welcher die Mieter eines Grund­stücks beim Tode eines Vermieters nicht eher ihre Häuser verlassen dürfen, als bis sie den Grund und Boden, den sie betreten müssen, von Neuem mieten. Beim Tode Friedrichs des Großen überbrachte im Aufträge der Gemeinde der Potsdamer Oberälteste (Jacob Baruch) dem Magistrat, dernamens des neuen Königs Recht und Gerechtigkeit aus­übt, statt des Mietzinses einen Taler für die Armenkasse, umnunmehro Grund und Boden Seiner Königl. Majestät nach wie vor betreten zu können. Dieschwachen Ver­mögensumstände erlaubten es der durch das jährliche Schutzgeld arg geschwächten Gemeinde nicht, einen höheren Mietzins zu entrichten.

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Durch geschäftliche Beziehungen waren die Juden mit dem Auslande verknüpft und gewannen von dort ihre Informa­tionen über die dort vorbereitete oder bereits vollzogene Emanzipation, nicht bloß der Juden, sondern auch des unter der Peitsche der Leibeigenschaft seufzenden Bauernstandes und der gegenüber dem Adel im Heere und in der Verwal­tung zurückgesetzten Bürger.

Wie diese Bevölkerungsgruppen, meldeten nach dem Tode Friedrichs des Großen auch die Juden ihre Forde­rungen an.Voll Ehrfurcht und kindlichem Vertrauen baten sie unterm 6. Februar 1787 den neuen König um Ein­setzung einer Kommissionzur Reform des Judenwesens. Sie zählten alle ihnen auferlegten Lasten auf und wiesen be­sonders ausführlich auf die entehrende, moralisch und wirt­schaftlich schädigende Gesamthaftbarkeit der Gemeinden hin. Ebenso auf das Unrecht der Beschränkung bloß auf den Handel, den ihnen obendrein manche Städte untersagen; in