kreis, daß ihm „Moses Dessau“ wohlbekannte, heilige Gedanken und Erzählungen nunmehr im Gewände einer schönen, reinen Form darbot. Mit dieser Leistung hat Mendelssohn seine Glaubensgenossen aus ihrem geistigen Ghetto herausgeführt und ihnen den Zugang zur Kultur ihrer Umwelt erschlossen. Sein Beispiel bewies, daß die Aneignung höchster allgemeiner und philosophischer Bildung dem religiösen Denken und Empfinden des charaktervollen, treuen, traditionell-frommen Juden nicht im Entferntesten widerspricht.
Mendelssohn verkehrte gern mit altfrommen polnischen Juden und disputierte mit ihnen und anderen „Lamdonim“ am Sabbatnachmittag über Talmudtraktate. Dieser Unterhaltung lag — wie sein Sohn Joseph an Herz Homberg schrieb — der Wunsch zugrunde, sich seinen Einfluß auf Kreise zu sichern, die ihn wegen seiner deutschen Schriften verketzerten. Der Sohn kennzeichnet Mendelssohns Streben: „Die Kultur und sittliche Verbesserung der Juden zu fördern“.
Seine Bedeutung für die deutsche Literatur, auch als Schöpfer einer reinen und zugleich schönen Sprache, kennzeichnet Herder: „Sokrates führte die Weltweisheit unter die Menschen. Hier ist der philosophische Schriftsteller unserer Nation, der sie mit der Schönheit des Stils vermählt hat: der Verfasser der „Philosophischen Schriften“. Ja, er ist’s, der seine Weltweisheit in ein Licht der Deutlichkeit zu stellen weiß, als hätte es die Muse selbst gesagt: er denkt da, wo andere sich begnügen, Schönheiten zu empfinden: er hat unter den Deutschen die Kritik der schönen Wissenschaften ausgebreitet.“