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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
205
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kreis, daß ihmMoses Dessau wohlbekannte, heilige Ge­danken und Erzählungen nunmehr im Gewände einer schönen, reinen Form darbot. Mit dieser Leistung hat Men­delssohn seine Glaubensgenossen aus ihrem geistigen Ghetto herausgeführt und ihnen den Zugang zur Kultur ihrer Um­welt erschlossen. Sein Beispiel bewies, daß die Aneignung höchster allgemeiner und philosophischer Bildung dem reli­giösen Denken und Empfinden des charaktervollen, treuen, traditionell-frommen Juden nicht im Entferntesten wider­spricht.

Mendelssohn verkehrte gern mit altfrommen polnischen Juden und disputierte mit ihnen und anderenLamdonim am Sabbatnachmittag über Talmudtraktate. Dieser Unter­haltung lag wie sein Sohn Joseph an Herz Homberg schrieb der Wunsch zugrunde, sich seinen Einfluß auf Kreise zu sichern, die ihn wegen seiner deutschen Schriften verketzerten. Der Sohn kennzeichnet Mendelssohns Streben: Die Kultur und sittliche Verbesserung der Juden zu för­dern.

Seine Bedeutung für die deutsche Literatur, auch als Schöpfer einer reinen und zugleich schönen Sprache, kenn­zeichnet Herder:Sokrates führte die Weltweisheit unter die Menschen. Hier ist der philosophische Schriftsteller unserer Nation, der sie mit der Schönheit des Stils vermählt hat: der Verfasser derPhilosophischen Schriften. Ja, er ists, der seine Weltweisheit in ein Licht der Deutlichkeit zu stellen weiß, als hätte es die Muse selbst gesagt: er denkt da, wo andere sich begnügen, Schönheiten zu empfinden: er hat unter den Deutschen die Kritik der schönen Wissen­schaften ausgebreitet.