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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
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suchen, damit der Tor sich placke und der Kluge sich güt­lich tue. Freigeisterei war für ihn gleichbedeutend mit Gottlosigkeit.

In den Gesetzen erblickte Mendelssohn die Vorbereitung auf die sittliche Tat. Demgemäß betonte er unablässig, ein Jude sei an die Bestimmungen seiner Religion unlösbar ge­bunden und dürfe sich von deren Ausübung nimmer los­sagen. Die spätere Zusammenfassung aller Religionen zu einer (ein Hirt und eine Herde) bedeutet für ihn: Er­zielung einer in festem Gottesglauben verankerten gegen­seitigen Achtung und Liebe.Glaubensvereinigung ist echter Duldung entgegengesetzt. Übereinstimmung dürfe nicht er­logen werden, denn offenbar ist Mannigfaltigkeit Plan und Endzweck der Vorsehung.

Klare Formulierungen seiner Anschauungen, wie Men­delssohn sie im Vorwort zu Markus Herz Übersetzung von Manasse ben IsraelsRettungen der Juden (1782) und in seiner eigenen SchriftJerusalem oder über religiöse Macht und Judentum (1783) gab, waren notwendig, weil man seine Lehren vielfach derartig mißverstand, daß er sich in den Köpfen christlicher Theologen sogar als Atheist spiegelte!

Aber auch jüdische Kreise schüttelten den Kopf.

Bis dahin hatte es als revolutionär gegolten, wenn ein Jude ein deutsches Buch las oder sich fehlerfrei in der deut­schen Sprache ausdrückte. Nichtjuden legten dem Juden seine verderbte Sprache vielfach ein während der Kreuz­züge und später aus Deutschland verpflanztes Mittelhoch­deutsch als Kulturlosigkeit aus. Mendelssohn gewährte den deutschen Juden in seiner Übersetzung der Psalmen und des Hohenliedes, vor allem des Pentateuchs (mit Kommentar) das Mittel zur Aneignung einer fehlerfreien, wohlklingenden deutschen Sprache. Während die Rabbinate in Hamburg und Fürth gegen das deutsche, mit jüdisch-deutschen Buch­staben gedruckte Werk eiferten, freute sich der große Leser-

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