Druckschrift 
Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
234
Einzelbild herunterladen

diesen politischen Akt zögernd. Statt der früheren soli­darischen Haftbarkeit setzte er für jede Stadt eine Zensur- kommission ein, bestehend aus Juden unter einem christ­lichen Vorsitzenden. Zweck: Aufsicht über den Lebens­wandel der Gemeindemitglieder, scharfe Beobachtung Ver­dächtiger, Ausstellung von Aufenthaltsscheinen. Die Kom­mission war mit juristischen Vollmachten ausgestattet. Gleichzeitig erließ die Regierung für Breslau und für die aus der Dritten Teilung Polens neuerworbenen polnischen Lan­desteile Judengesetze, welche ihnen in beschränktem Maße sogar Ackerbau und zunftgebundene Handwerke gestatteten. Viele junge Leute kamen von dort nach Berlin und erlernten hier bei christlichen Meistern Handwerke. Nach beendigter Lehrzeit mußten sie jedoch Berlin wieder verlassen.

Die langsame, aber stetige Besserung in der Lage der Juden war durch die Not der Zeit beschleunigt worden, welche der Zusammenbruch bei Jena und Auerstedt zeitigte. Vorbei wars mit Leichtfertigkeit und Hochmut. Die zur Ver­nunft gekommene Bevölkerung besann sich auf die guten Ideen, die ihr das Aufklärungszeitalter als Vermächtnis hinterließ. Jetzt wurde den Bürgern ihr Recht: nach fran­zösischem Vorbild schuf Freiherr vom Stein für sie dieStädteordnung (1808). Als erster jüdischer Stadtrat zog (schon 1809) ­ David Friedlände r ins Berliner Rat haus ein.

Der Stadt bürger wandelte sich zum S taatsb ürger.

David Friedländer hatte den König gemahnt:Es ist Zeit, daß uns die Fesseln abgenommen werden, die uns so lange beschweren. Wenigstens getrösten wir uns, daß Eine Hohe Landesregierung Ihrerseits alles anwenden wird, den Unterschied, den die Verschiedenheit der Religion fest­gestellt hat, so viel wie möglich in Vergessenheit zu bringen. Das kann aber nicht anders geschehen, als wenn wir in voll-