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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
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ihrer geringen Anzahl etwas ausrichten. Die Augen der mär­kischen Juden blieben auf Berlin gerichtet. Das jüdische Schicksal der Provinz war das ihrer Hauptstadt.

Auf der einen Seite die Altgläubigen. Die Emanzipation erschien ihnen als eine Angelegenheit der Neuerer. Sie be­griffen kaum, worum es sich handelte. Die Hoffnung, für­derhin nicht mehr mit höheren Abgaben belastet und oben­drein gedemütigt und geschlagen zu werden, steigerte ihre von der Religion ihnen anbefohlene Achtung vor der Regie­rung, aber sie blieben Juden auch dem Volkstum nach.

DieNeumodischen erblickten in der bürgerlichen Gleichstellung mehr als einen gesetzgeberischen Akt, nämlich den Abschluß eines Zeitalters der Rechtslosigkeit. Die Stimmen, die sich zugunsten ihrer Befreiung erhoben hatten, deuteten sie als den Ausdruck des Volkswillens, als ob der königliche Federstrich einwie eine ewige Krank­heit ererbtes Vorurteil beseitigen könnte! Um die Emanzi­pation auch im Herzen der Umwelt zu verankern, hatte diese Generation alles betont Jüdische zu verwischen, das Ureigene, Volkliche gegen das neugewonnene Deutschtum einzutauschen gesucht. Als in ihren Reihen sogar die Glei­chungDeutschtum gleich Christentum aufgestellt ward, glaubten sich viele Juden neuen Stils für die erteilte Gleich­berechtigung durch Preisgabe ihrer Religion bedanken zu sollen!

Und dennoch. Auch in den Neuerern lebte der Wille, Juden zu bleiben, allerdings nur in einem Judentum auf reli­giöser, nicht auf nationaler Grundlage. Das Mittel hierzu sollte ihnen ein zurDeutschen Synagoge umgestalteter Gottesdienst bieten (wie einer ihrer Mitarbeiter, Güns- burg, verlangte).

Dieser Umgestaltung widmete fortan der unermüdliche David Friedländer seine letzte Kraft. Von seinemSend­schreiben war er nicht abgerückt, aber es war vergessen.