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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
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247
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Nachahmungen christlicher Einrichtungen aussahen, z. B. die deutsche Predigt, und geißelte alle reformatorischen Be­strebungen als Sektiererei. Unter Bezugnahme auf ein von dem Berliner Gemeindeältesten Gumpertz erstattetes Gutachten, das die Rabbiner alsKoscherwächter bezeich- nete,da ihre Funktionen sich hauptsächlich auf die Ent­scheidung über religionsgesetzlich erlaubte und unerlaubte Nahrungsmittel beziehen, entzog das Ministerium den Rab­binern jedenEinfluß auf Juden und Judenschaften und beschränkte ihre Tätigkeit auf die Auslegung desZere- monialgesetzes sowie auf die Vornahme von Trauungen und anderen gottesdienstlichen Handlungen.

Vermutlich war die Behörde des beständigenAnlaufens müde, denn auf die obengenannte Beschwerde der Alt­frommen erging die folgende Königliche Kabinettsorder:

Veranlaßt durch die anliegenden Vorstellungen eines Teiles der hiesigen Jüdischen Gemeinde, bestimme Ich hier­durch wiederholentlich, daß der Gottesdienst der Juden nur in der hiesigen Synagoge und nur nach dem hergebrachten Ritus ohne die geringste Neuerung in der Sprache und in der Ceremonie, Gebeten und Gesängen, ganz nach dem alten Herkommen, gehalten werden soll.

Berlin, den 9. Dezb. 1823. Friedrich Wilhelm.

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Die in der Emanzipationsurkunde verheißenenBestim­mungen wegen des kirchlichen Zustandes der Juden er­schienen nicht. Alles blieb beim Alten. Ein Zeitalter scharfer religiöser Kämpfe zog herauf. Auf Jahre hinaus lähmten sie jeden Fortschritt.