nicht zu erwarten. Kein Wunder, daß sie allmählich jede Fühlung mit der Gemeinde verloren. Die „neumodisch“ eingestellten Ältesten ließen daher das Oberrabbinat unbesetzt und behalfen sich mit einem Vize-Oberlandrabbiner. Sie hätten nämlich einen Gelehrten von Ruf aus Polen beziehen müssen, und einem solchen war die deutsche Schriftsprache fremd. So hielt z. B. der Vize-Oberlandrabbiner Meyer Simon Weyl bei der gottesdienstlichen Feier des Kriegsausbruches 1813 in jüdischer Sprache eine Predigt, die der Lehrer Isaak Levin Auerbach ins Hochdeutsche übertrug und drucken ließ. Entschieden wehrte sich Weyl gegen die Beiordnung modern gebildeter Prediger, nicht aus Eifersucht, sondern weil diese Theologen sich dem Zeremonialgesetz gegenüber eine freiere Auslegung erlaubten.
Wie bereits angedeutet, ließen die Gottesdienste vielfach die erforderliche Würde vermissen.
Von den Besuchern der Alten Synagoge hatte ein großer Teil bereits in einer der vielen kleinen Betstuben „ge- dawnet“. Deshalb brachten sie für den Gemeindegottesdienst kaum noch Andacht auf: sie störten ihn vielmehr, denn sie taten nichts anderes als plaudern. Ackermann sagt: „Das mag uns heut eigentümlich anmuten. Aber wir müssen suchen, diese Erscheinung zu verstehen. Dem Juden war seine Synagoge weit mehr als ein bloßes Bethaus. Sie war seine Heimat, ja seine einzige wahre Heim at. Draußen in den Städten und Dörfern, auf Markt und Straßen empfing ihn die Lieblosigkeit eines unerbittlichen Vorurteils mit seinen Zurücksetzungen, seinen Schmähungen, seiner Kälte. Teilnahme, Mitgefühl, Wohlwollen und Liebe wehte ihm nur an der gemeinsamen Stätte des Gebetes entgegen, wo er — umgeben von seinen Glaubensgenossen — zu Gott flehte und wo alle Freuden und Leiden seines Familienlebens in mitfühlenden Herzen lebendigen Widerhall weckten. Das