dreißiger Jahren mehr Juden als Berlin*), zu derselben Zeit, als der Zuzug schlesischer und posenscher Juden nach Berlin begann — wertvolle Kräfte, die selbst oder später deren Kinder die Führung der Gemeinde und der in ihr wirkenden Verbände übernahmen. Die Rabbiner und Kantoren entstammten fast ausnahmslos den östlichen Provinzen.
Befreit vom äußeren Druck der Vor-Emanzipationszeit, konnten die märkischen Juden in den dreißiger und vierziger Jahren wirtschaftlich erstarken. Nunmehr galt ihre Sorge dem Ersatz ihrer bisher dürftigen, baufällig gewordenen Synagogen durch würdige, ja monumentale Gotteshäuser, z. B. Arnswalde, Märkisch-Friedland. Andererseits wirkte die beginnende Freizügigkeit lähmend auf die Entwicklung der kleinen Gemeinden. Typisch für deren Entwicklung ist das märkische Städtchen Lindow. Dieser Ort an zwei Seen gestaltete sich um die Mitte des Jahrhunderts mit Rheinsberg, Himmelpfort und Gransee zu einem Synagogenbezirk, und somit zum Zentrum jüdischen Lebens in der Mark. Kaufmann Michaelis richtete einen Saal seines Hauses zum Gottesdienst her. Die Kantoren Löwenthal (später in Neuruppin) und Schweitzer wirkten als Religionslehrer; an den Feiertagen ward jedesmal ein Rabbiner aus Berlin als Prediger berufen. Infolge des wirtschaftlichen Niederganges der Stadt verließen viele Juden Lindow. Als Michaelis sein Grundstück verkaufte und wegzog, verlor die Gemeinde mit dem Betsaal ihren Halt. Um 1910 löste sie sich auf. Die wenigen Familien, die übrig blieben, schlossen sich der Neuruppiner Gemeinde an. Ein halbzerfallener Leichenwagen in der Friedhofshalle zeugt von der entschwundenen „Pracht , während das Breslauer
*) Im Jahre 1837 wohnten in Berlin 5645, in Breslau 5413, in Posen sogar 6828 Juden.