Druckschrift 
Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
261
Einzelbild herunterladen

In der Kurie der drei Stände (Ritter, Städte und Land­gemeinden) wurde betont: die Juden stehen an Sittlichkeit und Bildung der christlichen Bevölkerung nicht nach; durch gute Eigenschaften, wie Nüchternheit, Sparsamkeit, Mild­tätigkeit gegen Arme und Kranke, haben sie sich den An­spruch auf allgemeine Achtung erworben. Der damalige Deichhauptmann von Bismarck erklärte:Ich bin kein Feind der Juden; und wenn sie meine Feinde sein sollten, so vergebe ich ihnen. Ich liebe sie sogar unter Umständen. Ich gönne ihnen auch alle Rechte, nur nicht das, in einem christlichen Staate ein obrigkeitliches Amt zu bekleiden. Fürst Lynar:Gäbe es einen christlichen Staat, so muß dieser auf dem Prinzip der Liebe, nicht auf dogmatischen Lehrbegriffen beruhen. Die Idee des christlichen Staates ist die der Versöhnung des Individuums mit der Gesellschaft. Nur die volle Emanzipation ist geeignet, die Versöhnung herbeizuführen.

Gewiß, der Vereinigte Landtag räumte den Juden die orts- und staatsbürgerlichen Rechte ein; nur das Recht, in den Landtag selbst gewählt zu werden, wurde (mit einer Stimme Mehrheit) abgelehnt. Dagegen machte ihnen das neue Judengesetz alle Staatsämter mit Ausnahme derjenigen, mit denen eine Leitung oder Beaufsichtigung der kirchlichen oder Schulangelegenheiten verbunden ist, und alle akademi­schen Lehrämter zugänglich. Von der Ausübung der Krimi­nal- und Polizeigerichtsbarkeit blieben sie ausgeschlossen, ebenso vom Lehramt an christlichen Schulen. Von größter Wichtigkeit für das religiöse Leben wurde die Schaffung einer Verfassung, die den Gemeinden Korporationsrechte verlieh und sie der Leitung der Vorstände und Repräsen­tantenversammlungen unterstellte. Den Ausdruck:Juden- schaften änderte die Regierung inSynagogengemeinden.

Wenn auch nicht alle Wünsche erfüllt wurden, die auf gesetzliche Festlegung des Zusammenschlusses aller in einem

261