Bei den Juden trat als Führer der fortschrittlichen Bewegung der einer Rabbinerfamilie entstammende, talmudisch gründlich vorgebildete Wiesbadener Rabbiner Abraham Geiger auf. Damals, in seiner Frühzeit, lehnte er die hebräische Gebetssprache ab, weil er die Judenheit nicht als ein Volk ansah und somit die Notwendigkeit des Hebräischen als einigendes Band bestritt. Dem Talmud sprach er nur einen literarischen Wert zu; an seine Vorschriften — wie auch an die Glaubenslehren — legte er die kritische Sonde. Judentum wurde für ihn ein rein theologischer Begriff, der Rabbiner ein Geistlicher, der Prediger ein Seelsorger, Überlieferung etwas Zeitbedingtes und darum Wandelbares, das „die Zeit auch wieder aufzuheben vermag“. In diesem Sinne äußerte er sich in der Wiesbadener Rabbinerversammlung (1837), welche auf seinen Antrag beschloß, „daß die Gebräuche und Sitten, welche einer früheren Zeit und einem andern Klima entstammen, in unseren Tagen störend in das Leben eingreifen, in ihrer Richtigkeit dargestellt und von allen Rabbinern, welche Eifer mit gutem Willen und Bildung verbinden, als suspendiert erklärt werden sollen“. Seinen Ideen suchte er in seiner „Wissenschaftlichen Zeitschrift für jüdische Theologie“ einen weiten Resonanzboden zu verleihen und durch sein Wort die Verirrten, Zweifelnden, Glaubenslosen wieder um das Banner eines neuen, lebensvollen Judentums zu scharen. Geigers Bedeutung für das Judentum liegt in seinem Streben ,das ganze Denken und Handeln des jüdischen Menschen unter Anknüpfung an das Historischgewordene nicht bloß im Gottesdienst, sondern ganz allgemein auf den Ton eines zeitgemäßen Fortschritts zu stimmen.
Im Einklang mit Geiger erklärte der Frankfurter „Verein der Reformfreunde“: „Wir erkennen in der mosaischen Religion die Möglichkeit einer unbeschränkten Fortbildung — der Talmud hat für uns weder in dogmatischer noch in