Zwanzigstes Kapitel.
Glückliche Jahre.
Als der Preußische König unterm 31. Januar 1851 eine neue Verfassung gab, ward auch in dieser die Unabhängigkeit der bürgerlichen Rechte vom Religionsbekenntnis erneut verkündet: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich.“ Die öffentlichen Ämter sind allen dazu Befähigten gleich zugänglich (Art. 4); der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig vom religiösen Bekenntnis (Art. 12). Aber noch in demselben Jahre setzte in Berlin eine Bewegung ein, deren Wortführer, die Minister von Raumer und von Westphalen, die in diesem Artikel festgelegten Rechte der Juden zu schmälern trachteten. Erfolg: unterm 9. September 1851 erklärte das Staatsministerium, die Israeliten können sich unbeschränkt die Qualifikation zu Staatsämtern jeder Art erwerben, aber der Befähigungsnachweis begründe noch kein Recht auf Verleihung eines Staatsamtes.
Vier Wochen später verfügte der Justizminister: Juden bleiben vom Dienst in der Rechtspflege ausgeschlossen, denn sie könnten in die Lage kommen, christliche Eide abzunehmen. Juden wurden somit vom Richteramt ausgeschlossen, auch nicht mehr zur Referendariatsprüfung zugelassen. Der Minister des Innern sprach den Juden unterm 12. Juli 1853 die Befähigung zum Schulzenamt und zur polizeiobrigkeitlichen Gewalt ab — Stellungen, von denen sie
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