Bekleidung öffentlicher Ämter vom religiösen Bekenntnis unabhängig sein.“
Die letzte Schranke fiel durch die Verfügung des Justizministers vom 13. November 1869, welche den Juden in Preußen neben allen anderen öffentlichen Ämtern nun auch das des Richters zugänglich machte.
Ermutigt durch die Wertschätzung von seiten ihrer Landsleute, im Vertrauen auf nunmehr unerschütterliches, unauflösliches Einssein mit ihnen, setzten die Juden ihre Kräfte auf allen ihnen offenstehenden Gebieten menschlichen Schaffens ein, dämmte doch kein Gesetzesparagraph, kein Übelwollen mehr ihren Entfaltungswillen ein. In gebührender Selbstbescheidung streckten sie ihre Hand weder nach dem Portépée des aktiven Offiziers noch nach der Bestallung zum höheren Verwaltungsbeamten aus; errangen sie doch mit der Zeit angesehene Stellungen im Bankwesen, in der Industrie und Konfektion, im Pelz-, Metall-, Textil-, Leder-, Getreide- und Mehlhandel. Ebenso übte der ärztliche und der Anwaltsberuf auf Juden eine starke Anziehungskraft aus. Juden durften Rittergüter erwerben und wurden als Kreisdeputierte zu vaterländischen Festlichkeiten, z. B. beim Einzuge des Königs, eingeladen. Die Liste der Berliner Ehrenjungfrauen beim Empfange König Wilhelms I. nach dem siegreichen Kriege von 1866 eröffnete die Rabbinertochter Clothilde Aub (Felix Philippi nennt sie „unwahrscheinlich schön“).
Nach außen gesichert, konnte die Judenheit jetzt zur Konsolidierung ihrer inneren Verhältnisse schreiten. Frisches Leben pulsierte in den Gemeinden. Religionsschulen, Gemeindehäuser, Bibliotheken, Wohltätigkeits- und gesellige Vereine legten Zeugnis von ihm ab. Der Zusammenschluß der kleineren Gemeinden zum Synagogenbezirk machte Fortschritte. Allenthalben — auch in der Mark — errichtete jüdische Glaubenstreue neue Synagogen. In den städtischen