der Alten Synagoge bestieg! Wenn er predigte, lasen die Altfrommen für sich Psalmen. Im Stillen bereiteten sie ihren Zusammenschluß zu einer Privatgemeinde, der „Adass Jis- roel“, vor.
Bei gutem Willen konnten die Gegensätze überbrückt, eine Einigung unter stärkerer Betonung des Volkstums erzielt werden. In den sechziger Jahren hatte nämlich Moses Hess in einer Schrift, „Rom und Jerusalem“, den Palästinagedanken in die Öffentlichkeit geworfen. Allerdings, mit seiner Forderung, den im Gebet erflehten Wiederaufbau in die Tat umzusetzen und „unsern heiligen Nationalkultus“ beizubehalten, predigte er tauben Ohren. Jüdisches Volkstum wurde als unvereinbar mit der staatsbürgerlichen Gleichstellung empfunden: Christen und Juden unterscheiden sich nur dem Glauben nach — nie wieder wird Judengegnerschaft aufflackern — das messianische Zeitalter zieht herauf.
Die Judenheit, voran die Berliner, ahnte nicht, daß diese glücklichen sechziger Jahre nur eine Atempause bedeuteten.
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