Druckschrift 
Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
283
Einzelbild herunterladen

Einundzwanzigstes Kapitel.

Enttäuscht.

Ein Jahr nach der staatsbürgerlichen Gleichstellung konnten die Juden in den preußischen Landen beweisen, daß sie diesen Akt ausgleichender Gerechtigkeit verdienten.

Der deutsch-französische Krieg brach aus. Mit derselben Begeisterung wie 1813 machte sich die Judenheit mit den Waffen im Felde und durch Liebeswerke daheim für ihr Heimatland nützlich. Viele Hunderte starben den Heldentod als echte Makkabäersöhne. Mit ihren deutschen Landsleuten teilten die Gemeinden das Glück, einem Staate anzugehören, der solche Ruhmestaten zeitigte.

Und doch: gegenüber der errungenen äußeren Einheit des neuen Reiches ließ das Zueinanderfinden der Stände, Klassen und Bekenntnisse im Innern sehr zu wünschen übrig.

In Berlin vollzog sich die Wandlung von der militärisch­spartanischen Preußenstadt zur eleganten, aufblühenden Kaiserstadt, leider in einer Krise, welche Berlin einem Fieberschauer gleich durchbebte: die Gründerzeit. Das Unternehmertum erwartete nämlich einen gewaltigen Zu­strom gleichgesinnter Glücksritter. Der erwartete Zu­zug blieb aus. Die Gründer hatten ihr Geld verpulvert und konnten schließlich die Bauten nicht einmal zu Ende führen. DerKrach war da. Die Verantwortung wurde den Juden zugeschoben.

283