1922), die „Jüdische Presse“ (1869—1923), das „Magazin für Geschichte, Literatur und Wissenschaft des Judentums“ (1874—1893), alle drei mit geringer Auflagenzahl. Daß aber 1872 ein Jude, Rudolf Mosse aus Grätz, das „Berliner Tageblatt“ ins Leben rief, für welches der jüdisch aussehende Pastorsohn Paul Lindau Romane, der Lustspieldichter Oskar Blumenthal Besprechungen der Literaturerzeugnisse, und der geistvolle Fritz Mauthner Theaterberichte schrieb, diese Tatsache genügte, um die gesamte Literatur als verjudet zu brandmarken. Wie mußte diese Kränkung die Männer der Feder verletzen! Auerbach klagt der Kaiserin Augusta sein Leid: „Es ist kein Geringes, daß man sich sagen lassen muß, man gehöre nicht zu den Deutschen und sei ohne Vaterland. Das muß ich noch erleben, der ich nach bester Kraft für das deutsche Volk arbeite und in Patriotismus niemandem nachstehe!“ Zu Rodenberg: „Mein ganzes Leben ist mir zerstört.“
Die Kaiserin kannte die Berliner Juden. Bei ihnen hatte sie jederzeit Opferwilligkeit gefunden. Kein Aufruf erging, ohne daß sie bereitwillig ihre Spenden darbrachten. Daher reichte ihnen die Kaiserin die Hand, um in ihrem Herzen keine Verbitterung, keine Mißstimmung aufkommen zu lassen. Sie erfreute die Altersversorgungsanstalt (damals die einzige) sowie das Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde mit Besuchen und freundlichen Zuschriften und zeichnete jüdische Männer und Frauen aus, die dem Wohle der Gesamtheit ihre Kräfte widmeten.
Die Berliner Judenheit aber war innerlich zerrissen. Kurz nach dem Kriege hatte die damals über eine große Anhängerschar verfügende Orthodoxie sich von der Hauptgemeinde losgelöst und zur „Adass Jisroel" zusammengeschlossen (vgl. S. 282), gleichzeitig aber ein Seminar zur Ausbildung streng thoratreuer Rabbiner errichtet (1873). Im Jahre zuvor hatte nämlich der religiöse Liberalismus durch Gründung einer
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