„Hochschule (später Lehranstalt genannt) für die Wissenschaft des Judentums“ sich einen Brennpunkt seines religiösen Lebens geschaffen. Auf Seiten der Orthodoxie erklärten dreihundert Rabbiner, man dürfe keiner Gemeinde angehören, die sich nicht zum Religionsgesetz bekenne, den Ritualkodex vielmehr bekämpfe. In Frankfurt a. M. traten Hunderte aus der reformerisch eingestellten Gemeinde aus, um sich in einer neuen „Religionsgesellschaft“ die nötigen rituellen Einrichtungen zu schaffen, die in der Hauptgemeinde fehlten. Ihr Anhang setzte im Reichstag das sog. Austrittsgesetz durch. Danach konnte ein Jude wegen religiöser Bedenken aus der Gemeinde austreten, ohne zugleich sein Judentum aufzugeben. Zum Schutz der Gewissensfreiheit machte sich der (jüdische) Abgeordnete Lasker zum Dolmetsch dieser von dem Frankfurter Rabbiner Samson Raphael Hirsch geführten jüdischen Glaubensbewegung und warf dadurch einen Zankapfel in das Gemeindeleben. Glücklicherweise schufen die im Schoße der Berliner Judenschaft erblühenden Wohltätigkeits- und Geselligkeitsvereine eine Plattform gemeinsamen Wirkens für beide religiöse Richtungen.
Abgesehen von der nur den Zwecken der Wohltätigkeit dienenden „Alliance Israelite Universelle“ (Sitz in Paris) und dem „Deutsch-Israelitischen Gemeindebund“ verfügte die deutsche Judenheit als Gesamtheit über keinerlei Organisationen. In Berlin vereinigte die bereits 1792 gegründete „Gesellschaft der Freunde“ die wohlhabenden Kreise zwecks Geselligkeit, der Verein „Magine Reim“ sowie der „Brüder- verein“ zu gegenseitiger Hilfe im Falle eintretender wirtschaftlichen Bedrängnis. Die religiös eingestellten einfacheren Schichten der jüdischen Bevölkerung schlossen sich in den zahlreichen privaten, vielfach landsmannschaftlichen Synagogenvereinen zur Pflege der religiösen Tradition und jüdischer Nächstenliebe zusammen.
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