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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
288
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Offiziell blieb die Pflege der jüdisch-kulturellen Güter den drei Gemeindesynagogen, dem Tempel der Reform­gemeinde, der Lehrerbildungsanstalt, den beiden Mittel­schulen, und der (damals einzigen) Religionsschule überlassen. Zur Alten und Neuen Synagoge war 1869 der Tempel Kaiserstraße eine Stiftung des Kommissionsrats Josef Lehmann hinzugekommen (am 29. November 1881 über­nahm ihn die Gemeinde).

Das religiöse Interesse, welches Geigers Wirksamkeit im Schoße der Berliner Judenheit geweckt hatte, flaute nach seinem Tode (1874) ab. Dazu kam, daß sie sich über ihre Zukunft in Sicherheit wiegte. Sie erfreute sich völliger Gleichberechtigung wozu brauchte sie da noch Religion?

Weder an den städtischen noch an den staatlichen Schulen wurde jüdischer Religionsunterricht erteilt. Große Teile der Elternschaft legten keinen Wert mehr darauf, daß die Kinder die Kette der jüdischen Überlieferung weiter­spinnen: mochten sie doch, herangewachsen, eine ihnen zu­sagende Religion selber wählen! Alle Menschen sind Brüder oder werden es was bedarf es da noch der Enge eines Bekenntnisses, noch dazu eines sounmodernen, wie des jüdischen?

Infolge solcher Selbsttäuschung ging ein großer Teil der damals heranwachsenden Generation dem Judentum ver­loren. Nicht immer durch Übertritt zur Landeskirche, son­dern durch Teilnahmlosigkeit gegenüber jüdischen Belangen. Unauflöslich fühlte man sich der Umwelt verbunden! Aus Sentimentalität, aus Pietät gegenüber den Traditionen des frommen Elternhauses, vor allem aus lieber Gewohnheit denn die vertraut gebliebenen Melodien wollte man nicht missen besuchten die Berliner Juden an den hohen Feier­tagen die Synagogen und die vielen Betsäle.

Immer schon war das Kunstinteresse der Berliner Juden groß. Zumal für Musik. Der SternRichard Wagner ging