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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
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In dieser Zeit entfaltete sich auch die Wissenschaft des Judentums zu hoher Blüte. Berliner Gelehrte, wie Jacob Barth, Abr. Berliner, Martin Schreiner, Is- mar Elbogen, spannen den Faden Zunzscher Tradition aufs Glücklichste weiter. DieGesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums und dieAkademie wurden mit ihren Veröffentlichungen der Mittel­punkt der gelehrten Forschung. Der in Berlin 1895 ge­gründeteVerein für jüdische Geschichte und Literatur vermittelte jüdisches Wissen in weitesten Schichten und ver­knüpfte durch seine vielen Zweigvereine die Provinzgemein­den mit dem Zentrum jüdischen Lebens. Für die einfachsten Kreise schufen die Berliner Logen ein Volksbildungsheim, die Toynbee-Halle, das ihnen bis zum Kriege allabendlich (außer Freitag) volkstümlich-wissenschaftliche, sowie ge­diegene musikalische Vorträge darbot.

Nicht bloß in Berlin, auch in den übrigen Gemeinden der Mark pulsierte frisches Leben. Synagogen wurden um- und neugebaut. Als Potsdam den Neubau seines Tempels plante, reichte der Vorstand dem Kaiser Wilhelm II. die Bau­zeichnungen zur Begutachtung ein. Der Monarch lehnte den Bau in der vorgeschlagenen Form ab, weil dessen roma­nischer Stil sich nicht in das Straßenbild eingefügt hätte. Der zweite Entwurf im Barockstil der nachfriederizia- nischen Zeit fand seine Genehmigung. Am 17. Juni 1903 wurde der herrliche, wie eine Schloßkapelle anmutende Tempel eingeweiht.

Die Berliner Gemeinde baute ein großzügiges Wohl­fahrtswesen auf. Reiche Mittel standen ihr zur Verfügung, zumal der Zuzug wohlhabender Juden aus der Provinz fort­dauerte. Doch hielt mit der Zunahme der jüdischen Bevöl­kerung der Bau neuer Andachtstätten nicht gleichen Schritt. An den hohen Feiertagen reichten die vorhandenen Syna­gogen und die zu Gottesdienstzwecken hergerichteten

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