großen Säle der Stadt, wie die Philharmonie — nicht aus. Findige Unternehmer mieteten Säle, verpflichteten Prediger, Kantoren und Chorpersonal und boten Eintrittskarten in den Zeitungen aus. Diesem unwürdigen Zustand machte die Gemeinde durch Errichtung von vier geräumigen, schönen, ja monumentalen Synagogen*) ein Ende, nahm zugleich die Veranstaltung von Saal-Festgottesdiensten selber in die Hand und berief hierzu geeignete Prediger, Kantoren, Chorleiter usw.
Reiche jüdische Mäzene, wie James Simon, der für die deutschen Ausgrabungen im Vorderen Orient die Mittel hergab, förderten Kunst und Wissenschaft. Nicht zu vergessen sind die Menschenfreunde (wie - Hermann Abra ham), die sich durch großzügige Wohlfahrtsaktionen, z. B. Errichtung von Kinderheimen, Ausstattung von Ferienkolonien, Massenspeisungen, an der Versorgung der bedürftigen Berliner Bevölkerung beteiligten.
Wie in den Zeiten der Emanzipation überschlugen sich viele Juden förmlich in der Bekundung ihres Deutschseins. Sehr lose Fäden verknüpften sie noch mit dem Judentum. Immer höher stieg die Zahl der Austritte. Leidlicher Wohlstand täuschte die meisten Juden über ihre seelische Zerrissenheit hinweg. Um ihre Zukunft machten sie sich keine Sorgen. Nur die jüdisch-völkisch empfindenden Zionisten — gewitzigt durch die Lehren der Geschichte — warnten immer wieder vor übertriebenem Optimismus. Antwort: Kampfansage. Zionistisch eingestellte Rabbiner und Lehrer weckten in den Herzen der Jugend das jüdische Stammesbewußtsein und kennzeichneten die Leugnung des „Anders-
*) An einem Tage (4. September 1904) wurden in Berlin die Synagogen Rykestraße und „Adaß Jdsroel“ (Artillerieestraße) eingeweiht. In Anwesenheit des Generalobersten von Kessel, als Vertreter des Kaisers, erhielt im September 1912 der Tempel Fasanenstraße seine festliche Weihe; am 31. Oktober nahm ihn der Kaiser persönlich in Augenschein.
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