Bis um die Jahrhundertwende war die Berliner Gemeinde von religionspolitischen Kämpfen verschont geblieben. Wer hätte auch ein Interesse daran gehabt, solche heraufzubeschwören, lag doch die Leitung der Gemeinde in den Händen vornehmer, für ihr Judentum begeisterter Männer liberaler und konservativer Prägung! Demgemäß vermochten die in einem dreijährigen Turnus sich wiederholenden Repräsentantenwahlen immer nur eine geringe Anzahl von Glaubensgenossen an die Wahlurne zu bringen. Die Wahlen fielen regelmäßig mehr oder minder religiös-liberal aus. Das änderte sich im Herbst 1901, als die Liberalen — neben den bestehenden Sabbatgottesdiensten — die Einrichtung von Sonntagsandachten in ihr Programm aufnahmen. Diese Absicht fand einmütige Ablehnung. Noch mehr: die Wahlbeteiligung war gewaltig; der neugewählte Gemeindevorstand wies eine konservative Mehrheit auf.
Im Besitze ihrer bis dahin unbestrittenen Macht hatten die Religiös-Liberalen eine kaum nennenswerte Wahlpropaganda entfaltet. Um so rühriger hatten die Konservativen und ihre Hilfstruppen: die damals noch einflußlose „Zionistische Vereinigung“, der „Verein zur Erhaltung des überlieferten Judentums“, der „Verein der Sabbat-Treuen, Schomre Schabbos“, und der „Centralverein für die Interessen der Jüdischen Gemeinde“ gearbeitet. Dieser gewann später als „Mittelpartei für Frieden und Fortschritt in der Gemeinde“ — ohne organisiert zu sein — viele Gemeindemitglieder, die das Hineintragen politischer Methoden in den ge- geheiligten Bezirk des Gemeindelebens anwiderte. Die Mittelpartei blieb bedeutungslos. In den Gemeindekörperschaften gewannen die Liberalen bald wieder die Mehrheit.
In dem 1910 gegründeten „Gemeindeblatt“ schuf sich die Gemeinde ein Organ, das in der Nachkriegszeit zum Range einer wissenschaftlichen, künstlerischen und sportlichen, illustrierten Wochenschrift aufstieg. Die — anfängliche