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Geschichte der Juden in Berlin und in der Mark Brandenburg / von Eugen Wolbe
Entstehung
Seite
308
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Bis um die Jahrhundertwende war die Berliner Gemeinde von religionspolitischen Kämpfen verschont geblieben. Wer hätte auch ein Interesse daran gehabt, solche heraufzube­schwören, lag doch die Leitung der Gemeinde in den Händen vornehmer, für ihr Judentum begeisterter Männer liberaler und konservativer Prägung! Demgemäß vermochten die in einem dreijährigen Turnus sich wiederholenden Repräsen­tantenwahlen immer nur eine geringe Anzahl von Glaubens­genossen an die Wahlurne zu bringen. Die Wahlen fielen regelmäßig mehr oder minder religiös-liberal aus. Das än­derte sich im Herbst 1901, als die Liberalen neben den bestehenden Sabbatgottesdiensten die Einrichtung von Sonntagsandachten in ihr Programm aufnahmen. Diese Ab­sicht fand einmütige Ablehnung. Noch mehr: die Wahl­beteiligung war gewaltig; der neugewählte Gemeindevor­stand wies eine konservative Mehrheit auf.

Im Besitze ihrer bis dahin unbestrittenen Macht hatten die Religiös-Liberalen eine kaum nennenswerte Wahlpropa­ganda entfaltet. Um so rühriger hatten die Konservativen und ihre Hilfstruppen: die damals noch einflußloseZioni­stische Vereinigung, derVerein zur Erhaltung des über­lieferten Judentums, derVerein der Sabbat-Treuen, Schomre Schabbos, und derCentralverein für die Inter­essen der Jüdischen Gemeinde gearbeitet. Dieser gewann später alsMittelpartei für Frieden und Fortschritt in der Gemeinde ohne organisiert zu sein viele Gemeindemit­glieder, die das Hineintragen politischer Methoden in den ge- geheiligten Bezirk des Gemeindelebens anwiderte. Die Mittelpartei blieb bedeutungslos. In den Gemeindekörper­schaften gewannen die Liberalen bald wieder die Mehrheit.

In dem 1910 gegründetenGemeindeblatt schuf sich die Gemeinde ein Organ, das in der Nachkriegszeit zum Range einer wissenschaftlichen, künstlerischen und sport­lichen, illustrierten Wochenschrift aufstieg. Die anfängliche