— Namhaftmachung der aus dem Judentum wie aus der Gemeinde Ausgetretenen weckte in den Lesern schwere Besorgnisse; waren es doch — wie angedeutet — vielfach geistig und sozial Hochstehende, die sich vom Glauben ihrer Väter lösten.
Je mehr sich die Reihen der Berliner Gemeinde durch Austritte und Mischehen lichteten, desto eifriger bemühte sie sich, wenigstens den Bestand zu sichern, zumal die Todesfälle den Zugang an Geburten bereits überholten. Der Vorstand intensivierte das Gemeindeleben durch Veranstaltung von Gemeindeabenden und Feierstunden an den Sonntagvormittagen. Er richtete sein Augenmerk auf die Gemeinden an der Peripherie der Reichshauptstadt, indem er Grunewald, Oranienburg und Köpenick, außerdem die Synagogen Pestalozzi- und Münchener Str. an die Hauptgemeinden anschloß. Nach der Übernahme des 1923 von einem Privatmann ins Leben gerufenen „Friedenstempels“ durch die Hauptgemeinde, schuf sie (1932) mit der Errichtung der Synagoge Prinzregentenstraße ein religiöses Zentrum für die zahlreichen Juden in Wilmersdorf und Schöneberg. Die in diesem Tempel durchgeführte Aufhebung der Geschlechtertrennung hat zu den — befürchteten — Unzuträglichkeiten nicht geführt.
In allen anderen Synagogen mit neuem Ritus wurde den Frauen am Sabbat das rechte Seitenschiff unten eingeräumt. Ebenso bewies die Gemeinde mit der Anstellung einer Anzahl vorzüglicher jüngerer Rabbiner und Kantoren eine sehr glückliche Hand. Hunderte von längst entfremdeten Juden hat die fromme Tätigkeit dieser Herren dem Gotteshause wieder zugeführt.
Eine wirksame Unterstützung fanden alle diese auf die Erweckung religiösen Lebens abzielenden Bestrebungen in der Einrichtung liberaler Gottesdienste in einer Anzahl von Andachtsstätten im Zentrum, im Norden, in Westend und in
309