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als religiöse, sondern als eine geheime politische Bereinigung verdächtigte, welche eine Gefahr für die Regierung bedeute. Tödlicher konnte in Rußland keine Verdächtigung ihre Opfer treffen, als durch eine solche Unterstellung. Vergegenwärtigt man sich die Zeit am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, wo der von Frankreich ausgehende Geist der Freiheit an allen Thronen und Altären rüttelte, wo die Bestrebungen des Geheimbundes der Jlluminaten sich in ganz Europa verbreiteten, wo die geheimen polnischen Verbindungen gerade in Ltthauen, das erst jetzt Rußland einverleibt worden war, den Boden unterwühlten, um den Abfall von Rußland zu ermöglichen, so begreift es sich, daß eine solche Anklage nur allzuleicht maßgebenden Orts Glauben fand. Rechnet man dazu noch das ganze russische Regime, die zum Mißtrauen leicht geneigte Persönlichkeit Kaiser Pauls, bei dem auch der leichteste Verdacht genügte, um mit politischen Geheimbündlern kurzen Prozeß zu machen, und daß es Juden waren, die von Juden solcher Umtriebe bezichtigt wurden, so begreift sich der ganze Ernst der Lage, in welcher sich die Verdächtigten befanden.
Um das Maß voll zu machen, hatte kurz zuvor der Gouverneur Bulankow in einem Bericht aus Ltthauen an den Kaiser von Geheini- verbänden berichtet, die Rußland nicht hold seien und mit den Franzosen fraternisierten — mehr bedurfte es nicht, um die so Verdächtigten geradezu einer Lebensgefahr auszusrtzen.