Grundlegende Sittlichkeitsanschauungen
Tun und Glauben
„I m Judentum ist die sittliche Forderung ein Grundsätzliches, ein Tragendes der Religion“ (vgl. o. S. 11), d. h. was als gut erkannt, was als göttliches Gebot gelehrt wird, soll in die Tat umgesetzt werden. Die Lehre des Judentums ist keine theoretische Erörterung ethischer Lehrsätze, sondern eine Religion der Tat; seine sittlichen Forderungen wollen im Leben erfüllt werden. „Gott erkennen, heißt nicht, sein Wesen verstehen, sondern den Weg des Rechten gehn, den Gott gewiesen hat.“ Der Glaube ist kein zentrales Problem der jüdischen Religion. Das hebräische Wort Emuna bedeutet „Vertrauen“, Luthers Bibelübersetzung hat „Glauben“ dafür gesetzt. Im biblischen und rabbinischen Schrifttum wird dieses Vertrauen auf Gott als religiös-sittliche Gesinnung vorausgesetzt, nicht aber wie ein Dogma als Produkt des Denkens oder des Wollens gefordert. Erst da, wo die Reflexion dazwischentrat, wie in der alexandrinischen und mittelalterlichen jüdischen Religionsphilosophie, wurde der Begriff des Glaubens an Gott zu einer aus Erkenntnis geschöpften Überzeugung jentwickelt; die vielfach aufgestellten Hauptsätze des Judentums (Ikkarim) sind nicht als Glaubensartikel, sondern als Grundwarheiten gedacht. Äber im Judentum wurde nicht blinder Glaube gefordert und die Freiheit des Denkens unterdrückt, wurde niemals die Meinung vertreten, daß sich die Frömmigkeit lediglich auf den Glauben gründete, und eine Erlösung der Seele ohne sittliche Tat für möglich erklärt. Die einseitige Bewertung des Glaubens durch Paulus mit ihrer Gefahr für das religiöse Leben, die selbst in den urchristlichen Kreisen auf Widersprach stieß (vgl. z. B. Jakobusbrief 2, 14—18), hat im Judentum nie Eingang gefunden. Es hat vorübergehend Strömungen gegeben,
die den Höhepunkt des religiösen Erlebnisses in die Spekulation und
iglichkeit der sittlichen Tat bestritten. Im gesamten nachbiblischen rifttum herrscht nur eine Meinung darüber, daß die Religion sich bewähren muß in der sittlichen Tat.
ilin das mystische Schauen verlegten, aber keine von ihnen hat die
Ismar Elbogen