Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
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Einleitung.

die bewussten Functionen in bestimmter Weise leiden. Es giebt im Grunde nur eine Art von Krankheiten, und es ist sozusagen zufällig, dass wir den meisten nur von aussen her, d. h. physikalisch beikommen können, einigen aber auch von innen her, oder psycho­logisch. Nehmen wir es practisch, so müssen wir die Geisteskrankheiten genau so auffassen wie alle Gehirnkrankheiten, denn jene bilden nur eine Gruppe dieser, andererseits aber müssen wir da, wo uns die Beobachtung von aussen im Stiche lässt, uns streng auf die Feststellung der erschlossenen inneren Vor­gänge beschränken und dürfen nicht vergessen, dass auch dann, wenn die den krankhaften Geisteszuständen entsprechenden Gehirnvorgänge uns bekannt wären, dadurch keine Kenntniss der seelischen Zustände zu erlangen wäre. Mit anderen Worten, wir müssen auch hier die Parallelen zu erkennen suchen, die Verände­rungen im Gehirn einerseits, die eigentlich nur dem Kranken zugänglichen, von uns aus Bewegungen er­schlossenen seelischen Veränderungen andererseits.

Wie Goethe über das Verhältniss von Geist und Körper dachte, das ist schwer zu sagen. Ausdrück­liche Aussagen liegen, so viel ich sehe, erst aus seiner letzten Lebenszeit vor. In seiner Jugend wurde die christliche Auffassung der Dinge bald beseitigt. Eine Zeit lang studirte er eifrig Spinoza,*) und wenn man

*) Ueber sein Verhältniss zu Spinoza belehrt am besten sein Brief an Jacobi vom 9. VI. 1785.