Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
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Psychiker und Somatiker,

analog, in welchen wir uns schon erprobt, nicht ver­sagen! Fügt er sodann Erinnerung und Nachgefühl des Rechten und Guten, was wir hier schon gewollt und geleistet, väterlich hinzu; so würden wir gewiss nur desto rascher in die Kämme des Weltgetriebes eingreifen. Die entelechische Monade muss sich nur in rastloser Thätigkeit erhalten; wird ihr diese zur andern Natur, so kann es ihr in Ewigkeit nicht an Beschäftigung fehlen. Verzeih diese abstrusen Aus­drücke! Man hat sich aber von jeher in solche Re­gionen verloren, in solchen Sprecharten sich mitzu­theilen versucht, da wo die Vernunft nicht hinreicht, und wo man doch die Unvernunft nicht wollte walten lassen.

Die dualistische Auffassung findet gegenüber den Geisteskrankheiten einige Schwierigkeiten. Im Anfange unseres Jahrhunderts standen zwei Parteien gegen ein­ander. Die sogenannten Somatiker meinten, die un­sterbliche Seele könne nicht erkranken, bei den Seelen­störungen handle es sich um körperliche Krankheiten, durch die die Seele gehemmt werde, gewissermaassen um eine Beschädigung des Claviers, auf dem die Seele spielt; die Psychiker dagegen liessen die Seele selbst erkranken und fassten die dabei vorhandenen körper­lichen Störungen und Veränderungen als Wirkungen der Seelenkrankheit auf. Dieser Unterschied in der Theorie war praktisch von grosser Bedeutung. Die Psychiker lehrten, Ursache der Seelenkrankheiten seien die Leidenschaften, die Somatiker aber meinten, die Hauptsache sei eine primäre Erkrankung des Gehirns