Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
41
Einzelbild herunterladen

Die Hypochondrie bei Goethe.

Das wichtigste bey meinem gegenwärtigen Studium [Achilleis] ist, dass ich alles subjective und patholo­gische aus der Untersuchung entferne.

Ungemein oft gebraucht Goethe das WortHypo­chonder. Jetzt verstehen wir unter einem Hypochon­der gewöhnlich einen nervösen Menschen, der sich irrthümlicherweise für schwer krank hält, einen Schlag­fluss, eine Lungen-, Herz-Krankheit oder dgl. unbe­gründeterweise fürchtet. Der einfachen Hypochondrie steht die hypochondrische Verrücktheit gegenüber, bei der jene Befürchtungen zu incorrigiblen Wahnvor­stellungen geworden sind, die Behauptungen oft dem Augenscheine widersprechen, da die Kranken meinen, ihr Darmrohr sei verschlossen, ihr Gehirn vertrocknet, da sie nicht vorhandene Geschwülste zu fühlen glauben, und so fort. Immer ist das Wesentliche der irrige Glaube, an dieser oder jener Krankheit zu leiden. Zu Goethes Zeit hatte der Begriff der Hypochondrie einen viel weiteren Umfang. Man dachte dabei nicht nur an die eigentlichen Hypochonder, sondern auch an krankhafte Verstimmungen verschiedener Art. Reizbare finstere Leute, Nervenschwache, Melancholische, an Verfolgungswahn Leidende wurden kurzweg Hypo­chonder genannt, etwa in der Art, wie man jetzt alles mögliche, oft im euphemistischen Sinnenervenkrank nennt. Man sah in der Hypochondrie eine Krankheit vorwiegend, doch nicht ausschliesslich des männlichen Geschlechts.*) Einige Belegstellen mögen folgen.

*) Merkwürdigerweise fasst Kant(Anthropologie, erste Aufl. 1789) die Hypochondrie viel moderner:Der Hypochondrist ist