Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
71
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Gretchens Verwirrtheit.

Umstände, die Goethe von Shakespeare entlehnte, und das, was er selbst hinzuthat, sehr gut erörtert. Er sagt:Goethe hat eben das Bild der Verwirrtheit, das er von seinem grossen Vorgänger übernahm, nicht in seinen zufälligen Einzelheiten nachgeahmt, son­dern die Grundzüge übernommen und mit eigenem ausgefüllt. Er hat sich in das Wesen der Krankheit, wie es sich ihm in Ophelien darbot, hineingefunden und hineingedacht und konnte deshalb der Form, die er sich zu eigen gemacht, ohne ängstliche Anlehnung einen neuen Inhalt geben.

Ich möchte nur noch auf die folgenden Verse be­sonders aufmerksam machen.

Sag niemand dass du schon bei Gretchen warst, Weh meinem Kranze!

Es ist eben geschehn!

Wir werden uns wiedersehn!

Aber nicht beim Tanze.

Diese Verse könnten sehr wohl aus einem Irren­hause stammen. Die an Verwirrtheit Leidenden haben oft die Neigung, in Reimen zu sprechen, und zwar ruft bei ihrem traumhaften Zustande ein Schlusswort zunächst ein Reimwort hervor, und je nach der Art des ihnen einfallenden Reimwortes formen sie die zweite Zeile.Weh meinem Kranze ist durch sach­liche Association gegeben, dagegen dasaber nicht beim Tanze ist ersichtlich nur wegen des Reimes, durch äussere Association hinzugefügt. Auch hier hat Goethe sicher nicht die Absicht gehabt, bestimmte Irre

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