Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
77
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Die Heilung des Orest.

mehr sein Herz frei und froh, erkennt, dass er ge­heilt ist.

Es löset sich der Fluch, mir sagts das Herz. Die Eumeniden ziehn, ich höre sie,

Zum Tartarus und schlagen hinter sich

Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu.

Die Erde dampft erquickenden Geruch

Und ladet mich auf ihren Flächen ein,

Nach Lebensfreud und grosser That zu jagen.

Goethe will in dem von ihm geschilderten Anfalle die eigentliche Krankheit Orests darstellen, denn dieser sagt nachher selbst, in Iphigeniens Armen habe das Uebel mit all seinen Klauen ihn zum letzten Male er­fasst und habe ihm das Mark entsetzlich zusammen­geschüttelt. Dann sei es entflohenwie eine Schlange zu der Höhle. Indem Iphigeniens Berührung den heftigen Anfall auslöste, heilte sie den Kranken:von dir berührt war ich geheilt. Pylades meldet:der Bruder ist geheilt, er habe sich ungefährdet ausser­halb des heiligen Haines bewegt, sei heiter und hoff­nungsvoll geblieben.

Bei der Vergeistigung, die die Fabel durch Goethe erfahren hat, muss die Art, wie Orest in Goethes Iphi­genie geheilt wird, einiges Bedenken erregen. Man versteht nicht recht, wie die Heilung zu Stande kommt. Dass die Berührung Iphigeniens durch einen einfachen Zauber heilt, wie früher die französischen Könige Kranke durch einfache Berührung heilten, das kann man nicht annehmen. Goethe sagt:alle menschlichen Gebrechen sühnet reine Menschlichkeit. Das mag zur