Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
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Der Streit über die Heilung.

satz muss ich verweisen. Neuerdings hat H. Lähr ein ganzes Buch über die Frage geschrieben.*) Mir kommt die Heilung bei Lähr recht künstlich Vor; zur Noth mag man ja auf diesen gewundenen Gedanken­gängen einen psychologischen Zusammenhang er­zwingen, aber der Psychologie Goethes ist diese Künst­lichkeit fremd, und das ist mir die Hauptsache. Münd­lich hat mir der College Lähr auch zugegeben, dass sich Goethe die Sache wohl nicht so schwer gemacht habe. Es ist richtig, dass Goethe in der Iphigenie von den Gedanken Herders über Humanität geleitet ist und dass er ungefähr auf das hinaus wollte, was Lähr sagt. Doch muss ich festhalten, dass er über den psycho­logischen Hergang nicht recht ins Klare gekommen sei, und dass die griechischen Gedanken und die et­was überspannten Vorstellungen von der Humanität wider einander laufen. Schliesslich fand Goethe selbst, die Iphigenie wäreverteufelt human. Zur Zeit der Abfassung kam aber noch etwas hinzu. Goethe war damals in dem unnatürlichen Verhältnisse zur Stein selbst etwas überspannt, und er suchte in die unfrucht­bare Verbindung allerlei Geheimnissvolles hineinzu­deuten. Weil er bei der Iphigenie an die Stein dachte, musste er bei dem Orest wieder an sich, den brüderlichen Liebhaber denken, und die Einwirkungen Iphigeniens auf den Bruder vermengten sich ihm mit den eigenen Erfahrungen. Dass das dem Stücke

*) Die Heilung des Orest in Goethes Iphigenie, Berlin, G, Reimer 1902, gr. 8% 86 Seiten.