Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
87
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Des Goethischen Tasso Paranoia.

Schafft mir Genesung! Gut, versetzt der Arzt,

So meidet dies und das.Das kann ich nicht. So nehmet diesen Trank.O nein, der schmeckt Abscheulich, er empört mir die Natur.

So trinkt denn Wasser.Wasser? Nimmermehr! Ich bin so wasserscheu als ein Gebissener.

So ist euch nicht zu helfen.Und warum? Das Uebel wird sich stets mit Uebeln häufen,

Und wenn es euch nicht tödten kann, nur mehr Und mehr mit jedem Tag euch quälen.Schön! Wofür seyd ihr ein Arzt? Ihr kennt mein Uebel;

Ihr solltet auch die Mittel kennen, sie

Auch schmackhaft machen, dass ich nicht noch erst, Der Leiden los zu seyn, recht leiden müsse.

Wohin er tritt, glaubt er von Feinden sich Umgeben. Sein Talent kann niemand sehn,

Der ihn nicht neidet, niemand ihn beneiden,

Der ihn nicht hasst und bitter ihn verfolgt.

So hat er oft mit Klagen dich belästigt:

Erbrochne Schlösser, aufgefangne Briefe,

Und Gift und Dolch! Was alles vor ihm schwebt!

Tasso selbst trägt in den ersten Aufzügen keine eigentlich krankhaften Züge. Im Streite mit Antonio zeigt er sich heftig, aber sein Zorn ist durchaus be­rechtigt. Erst als er sich vom Fürsten ungerecht be­handelt glaubt, hat seine Verzweiflung eine patholo­gische Färbung. Weil er im Palaste den Degen ge­zogen, bekommt er Zimmer-Arrest. Nun nennt er seine Stube einen Kerker und sagt:

Das hässliche zweideutige Geflügel,

Das leidige Gefolg der alten Nacht,

Es schwärmt hervor und schwirrt mir um das Haupt.

Wohin, wohin beweg ich meinen Schritt,

Dem Ekel zu entfliehn, der mich umsaust, Dem Abgrund zu entgehen, der vor mir liegt?

VS