Ottilie in den Wahlverwandtschaften.
X. Wahlverwandtschaften, Wanderjahre und kleinere Erzählungen.
In den hier zusammengefassten Werken aus Goethes Alter spielen Geisteskranke keine grosse Rolle, dagegen finden wir hier ziemlich häufig das Wunderbare. Die uns als wunderbar erscheinenden Ereignisse und Eigenschaften sind nach allgemeinem Zeugnisse in der Wirklichkeit immer an mehr oder weniger pathologische Persönlichkeiten geknüpft. Auch Goethe betont wiederholt das Pathologische dabei, und dies berechtigt uns dazu, diese Dinge hier zu besprechen.
In den Wahlverwandtschaften ist Ottilie eine pathologische Persönlichkeit. Sie erinnert in mancher Hinsicht an Mignon: zarte Körperbeschaffenheit, vorwiegendes Gemüthsleben, einseitige Begabung. Sie leidet an halbseitigen Kopfschmerzen und tödtet sich schliesslich durch Verhungern wie Sperata. Zum ersten Male erwähnt Goethe bei Ottilie die Wahrnehmung bestimmter Bestandtheile des Erdbodens durch veränderte körperliche Zustände. Ottilie liebt es nicht,