Allgemeines und Einzelnes.
XI. Allgemeines und Einzelnes.
Ueberblicken wir die Goethischen Gestalten, so finden wir, dass, abgesehen von historischen Darstellungen, nur bei wenigen eine naturgetreue Schilderung krankhafter Geisteszustände gegeben ist. Lila, Orest, der Harfner, Mignon sind freierfundene oder nachgebildete Gestalten der Phantasie. Darstellungen nach der Natur sind eigentlich nur der junge Wahnsinnige im Werther, in gewissem Sinne Werther selbst, der närrische Graf und, sozusagen wider den Willen des Dichters, Tasso. Goethe würde demnach im psychiatrischen Examen nur mässig gut bestehen, eine weniger gute Note als Shakespeare davontragen. Natürlich kommt es aber darauf gar nicht an. Das, was uns wichtig ist, liegt darin, daß Goethe ohne jede theoretische Schulung, von der Bedeutung des Pathologischen durchdrungen war, daß er öfter als ein anderer Dichter auf dieses hinweist, und ganz besonders, dass er die Zwischenformen zwischen Gesundheit und Krankheit, die vorübergehenden pathologischen Trübungen mit scharfem Blicke verfolgt. Weil wir bei