Allgemeines und Einzelnes,
Alle solche Stellen, von denen sie sagen, dass sie nicht just sind, möchte ich pathologische Stellen nennen, indem er sie nämlich an solchen Tagen geschrieben hat, wo es ihm an Kräften fehlte, um die rechten und wahren Motive zu finden“. Nicht unwichtig ist auch, dass Goethe das Recht, die Grenzzustände dichterisch zu verwerthen, betont. Im Jahre 1807 sagte er z. B. zu Riemer:„Die sublimirten Gefühle der Liebe ausgesprochen erregen den Widerspruch aller nicht so Gesinnten. ‚Das ist Ueberspannung, krankhaftes Wesen‘ — heisst es da. Als wenn Ueberspannung, Krankheit nicht auch ein Zustand der Natur wäre!“
Einzelne Bemerkungen Goethes über krankhafte Geisteszustände finden wir an vielen Stellen. Ich will hier noch einige zusammenstellen, beabsichtige aber nicht, Vollständigkeit zu erreichen. Bekannt sind die Erörterungen über Hamlet und Ophelia in Wilhelm Meister. Goethe fasst den Hamlet mit Recht nicht als Geisteskranken auf, sondern als einen pathologischen Menschen, dessen Kraft nicht seiner Aufgabe entspricht, der überlegt statt zu handeln. Bei Ophelia betont er sehr nachdrücklich ihre unbewusste Sinnlichkeit und erklärt dadurch den Umstand, dass sie in der Verwirrtheit nicht„Fragmente aus melancholischen Balladen,“ wie Aurelie es haben möchte, sondern Liebesliedchen singt. Heinroth billigt Goethes Beurtheilung der Ophelia. Man muss jedoch bemerken, dass der Schluss von den Liebesliedchen auf besonders starke Sinnlichkeit nicht ohne weiteres richtig ist. Gerade die Vorstellungen, die in der Besonnenheit absichtlich zu