Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
158
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Allgemeines und Einzelnes.

tisch gefesselten Gelehrten und Staatsdiener ist körper­lich anbrüchig und dem Dämon der Hypochondrie verfallen. Hier thäte es noth, von oben her einzu­wirken, um wenigstens künftige Generationen vor ähn­lichem Verderben zu schützen. Wir wollen indess hoffen und erwarten, wie es etwa in einem Jahr­hundert mit uns Deutschen aussieht, und ob wir es sodann dahin werden gebracht haben, nicht mehr ab­stracte Gelehrte und Philosophen, sondern Menschen zu sein.(ibid. 12. 3. 1828.)

Gilt die Schilderung des Nerven-Elends nicht heute erst recht?

Nun aber bin ich veranlasst Dich in entgegen­gesetzte Regionen zu führen, indem ich kürzlich refe­riren möchte: dass ich, durch das Strudeltagsgelese, in die gränzenlosen Schrecknisse der neusten Franzö­sischen Romanliteratur bin hineingeschleppt worden. Ich will mich kurz fassen: es ist eine Literatur der Verzweiflung. Um augenblicklich zu wirken und das wollen sie doch, weil eine Ausgabe auf die andere folgen soll müssen sie das Entgegengesetzte von allem was man dem Menschen zu einigem Heil vortragen sollte, dem Leser aufdringen, der sich zuletzt nicht mehr zu retten weiss. Das Hässliche, das Ab­scheuliche, das Grausame, das Nichtswürdige, mit der ganzen Sippschaft des Verworfenen, ins Unmögliche zu überbieten, ist ihr satanisches Geschäft. Man darf

und muss wohl sagen Geschäft; denn es liegt ein gründliches Studium alter Zeiten, vergangener Zustände, merkwürdiger Verwickelungen und unglaublicher Wirk­