Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
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Der Lebenslauf.

mehr gelitten. Er blieb im Lehnstuhle,.war heiter und besonnen. Das gute Befinden dauerte bis zum 21. März, 11 Uhr vormittags. Der Kranke collabirte dann, wie die Aerzte sagen, d. h. er wurde unbesinnlich, die Hände wurden kühl, es trat Schweiss ein, der Puls wurde klein und rasch, es begann in der Brust zu

rasseln. Das Sterben dauerte etwa vierundzwanzig Stunden. Goethe sass still im Stuhle, das Haupt nach links geneigt, zuweilen sprach er im Traume, auf Fragen antwortete er mehrmals deutlich.Er schien von den Beschwerden der Krankheit kaum noch etwas zu em­pfinden, sonst würde er bei der ihm eigenthümlichen Unfähigkeit, körperliche Uebel mit Geduld zu ertragen, mindestens durch unwillkürliche Aeusserungen, seine Leiden zu erkennen gegeben haben. Nach Ansicht Vogels hat Goethe kein Vorgefühl des Todes gehabt. Ueber die letzten Stunden giebt Coudray ausführlichen Bericht. Um 9 Uhr früh wurde der Kranke etwas lebhafter, verlangte Wasser mit Wein, richtete sich allein auf, fasste das Glas und trank es aus. Er ver­langte Licht, hielt aber dann die Hand vor die Augen, sodass man ihm seinen Augenschirm aufsetzte. Er rief den Copisten Zahn, liess sich von ihm und dem Diener aufrichten und fragte stehend nach dem Datum. Als er hörte, es sei der 22. März, sagte er:Also hat der Frühling begonnen und wir können uns dann um so eher erholen. Dann sass er wieder im Stuhle, hielt die Hand der auf dem Bette sitzenden Schwieger­tochter und phantasirte. Er sprach von Farben, von einem Lockenkopfe, verlangte mit der Hand hinweisend