Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
206
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Die Periodicität.

verändert sich mit dem Alter, die Lebhaftigkeit und die Beeinflussbarkeit der Jugend weichen mit den Jahren grösserer Festigkeit und Stille, aber immer herrscht eine ruhig-heitere Stimmung, sofern nicht gerade äussere Einwirkungen Zorn, Trauer oder Aehnliches hervor­rufen. Merkwürdigerweise spielt im Krankhaften das Periodische eine grosse Rolle. Nicht nur treten viele im engeren Sinne körperliche Krankheiten in Anfällen auf(z. B. die Epilepsie und die Migräne), sondern gerade im Geistigen ist der unmotivirte Wechsel das eigentliche Kennzeichen des Pathologischen. Die häu­figste aller eigentlichen Geisteskrankheiten ist das so­genannte periodische Irresein. Ist es vollständig ent­wickelt, so besteht das Leben des Kranken aus einem Wechsel zwischen Hemmung und Traurigkeit(Melan­cholie) einerseits, übermässiger Erregung(Manie) anderer­seits. In anderen Fällen schieben sich zwischen an­scheinend gesunde Zeiten mehr oder weniger lang­dauernde Anfälle von Melancholie oder von Manie, oder von beiden. Es herrscht da die grösste Mannig­faltigkeit, aber trotz der Verschiedenheit der Formen bleibt doch immer das, dass Zeiten krankhafter Stim­mung auftreten. Nun ist zwischen der deutlichen Krankheit und der Gesundheit ein weites Feld, und viele Stufen führen von dem einen Zustande zu dem anderen. Es wäre nicht empfehlenswerth, einen sOo­genannten Stimmungsmenschen geisteskrank zu nennen, wenigstens würde er es übel nehmen, aber die Ver­wandtschaft zwischen dem unmotivirten Stimmungs­wechsel und dem periodischen Irresein kann kein