Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
210
Einzelbild herunterladen

Die Periodicität.

müssen wir uns an zwei Merkmale halten, die Wieder­kehr derHerzenspoesie*) und die erotischer Er­regung; beides hängt aufs Engste zusammen. Dem­nach ist es unverkennbar, dass beim zweiten römischen Aufenthalte eine neue Erregung beginnt und in Weimar eine Zeit lang fortdauert: Faustina, die schöne Mai­

länderin, Christiane Vulpius; die römischen Elegieen und verwandte Gedichte. Man könnte glauben, dass man die Jahre 179697(Balladen, Hermann und Doro­thea) hier zu nennen habe, Ein neuerDichterfrühling war es ja, aber Herzens-Erregung fehlte, und Goethe selbst hatte nicht das Gefühl des Hingerissenseins.**) Von 17981807 ist nichts von Herzens-Erregung zu verspüren, vielmehr deutet die Neigung zum Aesthe­tisiren, Antikisiren und zur Naturwissenschaft auf eine gewisse Trockenheit hin. Aber 18078 tritt eineVer­jüngung ein: Minchen Herzlieb, Silvia von Ziegesar, Sonnette, Wahlverwandtschaften. Dann ähneln Stim­mung und Beschäftigung wieder der Zeit vorher. Erst 1814 kehrt der Frühling zurück, und diese Divan­

*)Liebesgedichte habe ich nur gemacht, wenn ich liebte.

**) In einem Gespräche mit Soret sagte Goethe, er habe die Balladen niedergeschrieben, weil Schiller immer etwas für die Horen brauchte. Er habe es ungern gethan, da er die Gegen­stände längst als angenehme Träume in sich gehegt habe.Zu anderen Zeiten, fuhr er fort, ging es mir mit meinen Gedichten gänzlich anders. Ich hatte davon vorher durchaus keine Ein­drücke und keine Ahnung, sondern sie kamen plötzlich über mich und wollten augenblicklich gemacht sein, sodass ich sie auf der Stelle instinctmässig und traumartig niederzuschreiben mich getrieben fühlte,