Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
211
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Die Dionen-Periode als Beispiel.

Periode überzeugt uns ganz besonders davon, dass es sich hier nicht um einen zufälligen Wechsel handelt, dass vielmehr ein organischer Prozess zu Grunde liegt. Die Biographen Goethes suchen die eigenthümliche Veränderung des 65jährigen Mannes psychologisch zu erklären. Ich will alle ihre Gründe: Anregung durchDichtung und Wahrheit u. s. w., gelten lassen, aber sie reichen nicht aus. Es ist, als ob ein poe­tischer Springquell sich ergösse, am 21. Juni 1814 schreibt Goethe das erste Divan-Lied, am Ende Au­gust sind schon 30Gedichte an Hafis vorhanden. Die Quelle sprudelt fort, am Ende Mai 1815 ist das erste Hundert der Gedichte vollendet. Dann folgt die Liebe zu Marianne von Willemer, und in den Suleika-Lie­dern erreicht Goethe eine neue Höhe. Alle die fröstelnde Poesie im antiken Gewande hat das Volk kalt gelassen, die Lieder aber aus den Zeiten der Erregung leben heute noch. Goethe selbst fühlte ganz deutlich, dass das Dichten ihn ankam wie ein Fieber, dass er zur gegebenen Zeit dichten musste, dass nach Ablauf der Erregung die Liederquelle vertrocknet War. Er sagt: Die Lieder des Divan haben gar kein Verhältniss zu mir. Sowohl was darin orientalisch, als was darin leidenschaftlich ist, hat aufgehört in mir fortzuleben; es ist wie eine abgestreifte Schlangenhaut am Wege liegen geblieben. Verwandte Aeusserungen findet man an verschiedenen Stellen. Zu Eckermann sagt er z. B.: Als mich vor zehn, zwölf Jahren, in der glücklichen Zeit nach dem Befreiungskriege, die Gedichte des Divan in ihrer Gewalt hatten, war ich productiv genug, UM