Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
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Die Periodicität.

weil die vermehrte Productivität seines Geistes ge­wöhnlich mit einer krankhaften Affection seiner pro­ductiven Organe endigte. Dies war so sehr in der Ordnung, dass mich schon im Anfange meiner Be­kanntschaft mit Goethe dessen Sohn darauf aufmerk­sam machte, wie, soweit seine Erinnerung reiche, sein Vater nach längerem geistigen Produciren noch jedes­mal eine bedeutende Krankheit davon getragen habe. Dass Goethe sich selbst recht gut kannte, geht aus einer Aeusserung gegen Eckermann hervor:Solche Männer und ihresgleichen sind geniale Naturen, mit denen es eine eigene Bewandtniss hat; sie erleben eine wiederholte Pubertät, wahrend andere Leute nur einmal jung sind.

Wenn ich betone, dass wir den Zeiten der Er­regung Goethes viel verdanken, so möchte ich doch nicht dahin verstanden werden, als wollte ich die Er­zeugnisse seiner ruhigen Zeiten herabsetzen. An den Versen der Iphigenie und des Tasso, an vielen Stücken des späteren Faust, am Wilhelm Meister und an der Biographie wird sich jeder Gebildete erfreuen, ja er­bauen, aber das Elementarische, das Hinreissende, das kommt nur den Erzeugnissen der dichterischen Ent­zündung zu: das Pathologische ist Bedingung des Höchsten. Die Inspiration setzt einen veränderten Geisteszustand voraus, der nach Goethes eigener Aus­sage dem Schlafwandeln verwandt ist. Die Willkür kann zu bewunderungswürdiger Schönheit führen, aber das dämonisch Schöne entsteht unbewusst.

Will man sich ein tieferes Verständniss der Sache