Das merkwürdige Jahr 1823.
verschaffen, so empfiehlt es sich, dass man zunächst das merkwürdige Jahr 1823 ins Auge fasse, denn von allen Anfällen Goethes ist der durch Ulrike von Levetzow und die„Elegie“ gekennzeichnete der am Meisten lehrreiche.
Bis zum Sommer von 1822 herrscht jahrelang bei ziemlich guter Gesundheit und ziemlich gleichmässiger Stimmung grosse Trockenheit. In Marienbad aber verändert sich Goethe. Er fühlt sich äusserst wohl, alles gefällt ihm. Dabei ist er aufgeregt und weint sehr leicht. Schon vorher besteht deutliches Liebe-Bedürfniss, wie die merkwürdige Aeusserung zu Julie Egloffstein im Mai zeigt, es scheint aber noch unbestimmt zu sein. In Marienbad trifft er mit Levetzows ZUsammen. Die Mutter hatte ihn früher angezogen,*) jetzt im Alter richtet er sein Auge auf die Tochter, aber noch ist die Sache nicht deutlich. Es scheint, als ob sich Goethe schon 1821 für das Mädchen interessirt hätte, als ob 1822 die zärtliche Neigung begonnen hätte.
An der Jahreswende auf 1823 träumt Goethe von Ulrike und beschreibt ihr den Traum ausführlich. Das Jahr 1823 beginnt mit einer schweren Erkrankung, wahrscheinlich einer Pleuritis. Am 2. Juni ist Goethe wieder in Marienbad. Bei einer Begegnung mit Lili Parthey zeigt er sich heiter und galant, wird durch ihren Kuss eigenthümlich erregt. Während des Zu
*) Er schreibt 1806 an Christiane:„Frau von Lewezow ist
reizender und angenehmer als jemals.“