Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
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Die Periodicität.

schroffe Schwankungen, so deutet sie auf das Patho­logische. Es ist ganz dasselbe wie mit der Wärme­curve: auch der normale Mensch hat bestimmte, aber geringe Wärmeschwankungen, wird jedoch eine ge­wisse Höhe überstiegen, so besteht Fieber, und oft können wir aus mehr oder weniger regelmässigen Hebungen und Senkungen der Curve ohne weiteres die Art des krankhaften Processes erkennen. Wenn übrigens die Leute stattpathologisch lieber sagen wollenbesonders zart odervon verfeinerter Organi­sation, so mögen sie es thun, denn die Sache bleibt dieselbe.

Ausser den bisher besprochenen Zeiten der Depres­sion und der Erregung mit vermehrter Productivität finden wir in Goethes Leben einen fortwährenden Wechsel der Stimmung; Zeiten der Verstimmung wechseln scheinbar unregelmässig mit Heiterkeit, tiefgehendes Missbehagen folgt auf Zeiten frischer Kraft. Düntzer hat in seinem Leben Goethes diese Dinge sehr ge­wissenhaft verzeichnet. Goethe hat sich selbst sehr fein beobachtet. Er spricht 1780 von dem Cirkel, der sich in ihm umdrehe, von guten und bösen Tagen; Erfindung, Ausführung, Ordnung, alles wechsele und halte einen regelmässigen Kreis. Von plötzlichem Um­schlagen der Stimmung wird oft berichtet. Joh. M. Kraus z.B. sagt 1788, Goethe habe noch immer seine alte Laune; im eifrigsten Gespräche könne es ihm einfallen, aufzustehen und fortzulaufen. Schütz, der Goethen bei Johanna Schopenhauer sah, sagt:Das Merkwürdigste war, ihn fast jedesmal in einer anderen