Goethes Mutter.
bedeutenden Augen, dem strengen Herrscherblicke und der sehr hohen, mächtigen Stirn, bei dem man unwillkürlich an das Bild des Enkels denkt, beweist, dass sie ein ungewöhnliches Weib war.
Goethes Mutter ist uns durch die Schilderung des Sohnes, durch ihre Briefe und neuerdings durch Heinemanns schönes Buch nahe gerückt. Gab der Vater den tüchtigen festen Grund des Geistes unseres Dichters, so wurde dieser doch erst durch die von der Mutter ererbten Eigenschaften zum Dichter. Ueberaus warme Empfindung und Phantasie, Frohmuth und unbesiegbare Lebensfreude sind die wichtigsten Geschenke, die sie ihm gab. Wie ich anderweit nachgewiesen habe, erbt man gewöhnlich die meisten KunstTalente vom Vater, den Dichtergeist aber von der Mutter. Das stimmt auch bei Goethe. Ihre Urtheilskraft überstieg weit das Mittel, aber hier ist die Vergleichung mit des Sohnes Geiste misslich, denn der Geist ist im weiblichen Organismus doch wie verkleidet, und wir würden bei den Müttern grosser Männer nicht viel prophezeien können, wenn wir die Söhne nicht schon kennten. Das Pathologische war auf jeden Fall bei der Frau Rath verhältnissmässig gering.
Wir mögen uns anstellen, wie wir wollen, die Hauptsache bleibt ein Räthsel, eine„Ableitung“ Goethes aus seinen Eltern gelingt nicht, und nur ein geheimnissvolles Zusammentreffen günstiger Umstände kann den günstigen Erfolg gehabt haben. Dass es nicht auf die Theile an sich, sondern auf die richtige Zusammenstellung der Theile ankam, das zeigt In über