Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
245
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Das Sterben der Kinder Goethes.

Höchst auffallend ist die Sterblichkeit der Kinder Goethes. Sollte sie auf den Alkoholismus der Mutter zu beziehen sein, so müsste diese allerdings recht früh angefangen haben, zu trinken, denn sie war erst 27 Jahre alt, als sie 1791 ein todtes Kind gebar. Mir will die Sache nicht recht einleuchten, wenn ich be­denke, dass die Frau Rath im Jahre 1807 Christiane ein unverdorbenes Gottesgeschöpf nennt, dass in. all den Briefen jener Zeit nichts auf Trunksucht deutet. Da Goethe selbst gern reichlich Wein trank, wird er sich gegen Andere in dieser Hinsicht lässlich gezeigt haben, ein betrunkenes Weib aber würde seinen Ab­scheu erregt haben. Die Hauptsache ist denn doch, dass beide Eltern tranken. Ueberdem scheint im All­gemeinen ein Gegensatz zwischen geistiger Productivität und der eigentlichen Reproduction zu bestehen. Wo die eine die Hauptsache ist, da leidet die andere, Beim weiblichen Geschlechte ist die Reproduction das wichtigste Geschäft, die geistige Productivität ist im Allgemeinen fast gleich Null. Wollten wir diese stei­gern, so würden wir den Zwecken der Natur ent­gegen arbeiten, wie es die nachEmancipation ver­langenden Damen thatsächlich thun. Aber auch beim Manne scheint die Fülle der Geisteskinder der natür­lichen Vaterschaft abträglich zu sein.

Auch bei dem Sohne Goethes, der heranwuchs, möchte ich die Quelle des Krankhaften nicht allein in der Mutter suchen, sondern ich denke, dass an seinem Elend, ausser dem Trinken beider Eltern und der Vul­piusischen Gehirnarmuth auch das Genie des Vaters