Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1903) Goethe ; Theil 1
Entstehung
Seite
252
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Die Familie.

Wir finden bei August Goethes Leidenschaftlich­keit wieder, das ist das Urphänomen. Aber das, was den Vater förderte, stürzte den Sohn ins Verderben, Denn bei ihm kam die ererbte Anlage zur Trunksucht dazu, die bei der Mutter in Verbindung mit einem glücklichen, heiteren Temperament relativ unschädlich gewesen war. Denn ihm fehlte der hohe Geist des Vaters, er hatte einen guten Durchschnitts-Intellect von der Mutter, und dieser glich bei ihm einem schwäch­lichen Reiter auf einem wilden Pferde. Dies Missver­hältniss seines Wesens ergab die von den Zeit­genossen beobachteten Eigenschaften: Heftigkeit,*) Un­stetigkeit, Liederlichkeit, düstern Missmuth, hohle Rhe­torik, stürmische erfolglose Anläufe einerseits, Gut­herzigkeit, aufrichtiges Streben, tüchtige Kenntnisse andererseits. Im Laufe der Jahre machten sich natürlich die Wirkungen des Trinkens mehr und mehr geltend. Auf die Krankhaftigkeit der trunksüchtigen Ausschweif­ungen weist besonders ihr intermittirendes Auftreten hin. Aber es klingt, als sollte noch etwas Besonderes angedeutet werden, wenn Holtei theatralisch sagt: Der Tod tobte ihm schon in den Adern, wenn Frau von Gustedt ihn krank an Leib und Seele nennt, wenn Johanna Schopenhauer meint, dass Augusts Zustand

*) Im Jahre 1823(in Hinsicht auf die Verbindung mit Ulrike v. Levetzow) spricht der Canzler von derrohen und lieblosen Sinnesweise seines Sohnes und sagt:Nur vom Sohne her droht alles Uebel, da der verrückte Patron gegen den Vater den Piquirten spielt, und sogar Ottilien mit sich nach Berlin nehmen will.