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Vorwort zur neuen Ausgabe.
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aber in den fünfziger, sechziger, siebziger Jahren ist dieses planmässige Todtschweigen thatsächlich geübt worden. Das sollte man nicht leugnen, denn es lässt sich beweisen. Uebrigens kommen solche Sachen nicht nur in der philosophischen Facultät vor.
Von den kleineren Schriften erwähne ich die R. Schlüters: Schopenhauers Philosophie in seinen Briefen(Leipzig, J. A. Barth 1900). Der Verfasser zeigt im Anschlusse an mich, wie der Philosoph mit den Jahren realistischer wird und das Individuum mehr und mehr anerkennt.|
Im ersten Theile meines Buches habe ich mich gegen Lombroso gewandt, der aus Schopenhauer einen Geisteskranken im gewöhnlichen Sinne des Wortes machen möchte. Vielleicht ist dadurch bei Manchen der Eindruck entstanden, als unterschätzte ich das Pathologische bei Schopenhauer. Das thue ich aber durchaus nicht, ich halte vielmehr Schopenhauer für eins der besten Beispiele dafür, dass erst die Pathologie die grossen Schriftsteller und ihre Werke recht verstehen lehrt. Wir sind freilich hier ungünstiger daran als wie bei Rousseau und bei Goethe, weil das Material sehr knapp ist, weil gerade über die eigentlich schlimmen Zeiten in Schopenhauers Leben so viel wie nichts bekannt geworden ist. Andererseits ist der Einfluss des Pathologischen auf die Werke hier besonders deutlich. Schopenhauer ist der Philosoph des Pessimismus geworden, weil er von Anfang
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